Wir feiern dieses Jahr die Gründung der modernen Schweiz und die Verfassungsgebung im Jahr 1848 vor 175 Jahren, insbesondere am eigentlichen Geburtstag der Verfassung am 12. September mit einem Festakt wie auch mit einem Wochenende der offenen Türen am 1. und 2. Juli. Es geht um nicht weniger als die Geburtsstunde unserer modernen Verfassung, einem zentralen Moment der schweizerischen Verfassungsgeschichte. In diesem Zusammenhang finden in diesen Monaten verschiedene Aktivitäten wie Ausstellungen und Projekte statt, die sich mit diesem wichtigen Ereignis beschäftigen. Zu Recht oder besser «Zum Geburtstag viel Recht» wie der Titel einer interessanten Ausstellung im Landesmuseum heisst. Dies sind wichtige Momente der Reflexion über unsere Geschichte der Verfassung in der Vergangenheit, in der Gegenwart und auch in der Zukunft. Die Frage welche meine Motion „175 Jahre Bundesverfassung. Eine Stiftung für ein Demokratielabor für die Zukunft“ im Nationalrat** beantworten will, ist folgende:

Was bleibt von diesem wichtigen 175 Jahre Jubiläum für die Zukunft? Und da kein Jubiläum ohne Geschenk sein sollte, stellt sich die Frage: Welches ist das Jubiläumsgeschenk für die Zukunft?

Die Motion fordert ein Demokratielabor, einen Ort der Reflexion über die Verfassung und das Funktionieren unserer Demokratie über den eigentlichen Geburtstag hinaus. Es geht dabei nicht um einen physischen Ort, sondern um einen Diskussionsraum, der auch digital sein kann und bestehende Angebote und Trägerschaften einbeziehen kann. Im Zentrum steht aber, dass breit und unabhängig Diskussionen über die Schweizer Demokratie geführt werden und gerade auch jüngere Menschen einbezogen werden. Unabhängig von der genauen Form braucht es dazu aber Ressourcen. Wer, wenn nicht das Parlament kann einen solchen Ort und die nötigen Ressourcen dazu initiieren.

Zwar haben National- und Ständerat mit der teilweisen Gutheissung der gleichlautenden Motionen Stöckli 21.3373  und Flach  21.3227 die geplanten Jubiläumsfeiern in die Wege geleitetet. In der Antwort des Büros vermisse ich aber den mutigen Blick in die Zukunft und den Geist unserer Gründerväter von 1948 (Gründermütter gab es ja keine) aber auch den Weitblick unserer Vorgängerinnen und Vorgänger im Jahr 1991 hier im Bundeshaus.

Am 3. Mai 1991 wurde anlässlich der Jubiläumsfeier des Parlaments die Stiftung Fonds Landschaft Schweiz FLS mit einem Bundesbeitrag von 50 Millionen Franken geschaffen, welche seither wichtige Arbeit leistet. Ziel war es gewesen zum Jubiläumsjahr, «etwas von bleibendem Wert zu schaffen, das der gesamten Bevölkerung und auch künftigen Generationen dient.» Ein weiser und weitsichtiger Entscheid, der sich in eine Reihe weiterer Geschenke zum damaligen Jubiläum einreiht.

Es gab gleich mehrere «politische Geschenke». So wurden erstens 700 Millionen Franken für die Entschuldung von Ländern der Dritten Welt beschlossen, zweitens haben alle Bezügerinnen und Bezüger von AHV/IV-Ergänzungsleistungen 700 «Jubiläumsfranken» erhalten und drittens wurde am 3. März 1991 äusserst deutlich die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters für Junge auf 18 Jahre angenommen, ausdrücklich als Geschenk an die Jugend formuliert. So stand im damaligen Abstimmungsbüchlein, damit sei «ein Zeichen für die ungebrochene Lebenskraft und Offenheit unserer Demokratie zu setzen.»

Die MOTION «Ein Feiertag der Demokratie» von MITTE-Kollege Heinz Siegenthaler will den 12. September als Feiertag auf eidgenössischer Ebene einführen. Auch dies ein wichtiges Zeichen, dass wir als Land der Direkten Demokratie mindestens einmal im Jahr unsere Demokratie feierlich feiern.

Das Parlament hat es in der Hand ein Zeichen zu setzen für die Zukunft und die Jugend für die ungebrochene Lebenskraft und Offenheit unserer Demokratie, gerade in Zeiten, wo die Demokratie an vielen Orten unter Druck ist und anlässlich dieses wichtigen Jubiläums unserer Verfassung ein Geschenk für die Demokratie zu ermöglichen.

** Beratung der MOTION (22.3920) 175 Jahre Bundesverfassung. Eine Stiftung für ein Demokratielabor für die Zukunft am 2.5.2023.

Fotolegende: Ausschnitt aus dem Gedenkblatt, das anlässlich der Einführung der Bundesverfassung vom 12. September 1848 erschien. Lithografie von C. Studer, Winterthur, gedruckt von J.J. Ulrich, Zürich (Burgerbibliothek Bern). Die in der Mitte thronende Helvetia – das Motiv geht auf die „Libertas“ des 18. Jahrhunderts zurück – wird von einem alten Eidgenossen mit einem Lorbeerkranz gekrönt und hält die neue Bundesverfassung. Auf beiden Seiten sind statt der üblichen Allegorien Bürger in Uniform und in Zivil dargestellt, die den (männlichen!) Souverän verkörpern.