Klimagerechtigkeit: Grüne Arbeitsplätze für die ökosoziale Zukunft

Eine politische Nachlese zu den Wahlen vom 22. Oktober 2023:

Global schreitet die Klimakrise mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit voran und verlangt rasche und wirksame politische Antworten. Gleichzeitig steigen soziale Ungleichheiten, Armut und Migration weltweit an. Die Weltlage wird geprägt von aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen (u.a. Ukraine, naher Osten) und damit verbundenen Unsicherheiten. Auf europäischer Ebene ist ein Rechtsrutsch zu beobachten, mit der erfreulichen jüngsten Ausnahme am Beispiel von Polen. Die Entwicklungen bei den Europäischen Wahlen vom 6.-9. Juni 2024 werden für die Zukunft in Europa (und damit auch für die Schweiz) von grosser Bedeutung sein.

Die Folgen für die Schweiz, wie die steigenden Öl- und Gaspreise (steigende Nebenkosten beim Wohnen), steigende Mieten («hausgemachtes Problem») und die Schwächung der Kaufkraft stellen zusammen mit den steigenden Krankenkassenprämien («hausgemachtes Problem») für weite Teile der Bevölkerung zentrale Probleme dar. Wenig überraschend hat das Thema Krankenkassenprämien das Thema Klima auf Platz 2 versetzt.[1]

Vor diesem ökonomischen Hintergrund muss die Finanzierung der dringend nötigen Klimamassnahmen zwingend stärker sozial gedacht, Vorschläge sozialverträglich konzipiert und umgesetzt werden. Das heisst keinesfalls weniger Klimaschutz, sondern vielmehr mehr sozialer Klimaschutz mit einer gerechten Lastenverteilung. Wir müssen zum Thema machen, wer für die Co2-Probleme hauptverantwortlich ist und wer darunter leidet. Wir müssen zum Thema machen, wer besonders für den Klimaschutz bezahlen soll (sowohl international wie auch in der Schweiz). Für die Schweiz bietet unsere Klima-Fonds-Initiative eine zentrale Grundlage. Klimaschutz und Klimapolitik sind eine Verteilungsfrage.[2] Die Emissionen der Reichsten 5% sind seit 1990 explosionsartig gestiegen. Die niedrigsten Einkommen erreichen bereits heute das Klimaziel, das sich die Schweiz für 2030 vorgenommen hat. Wir müssen bei der Klimapolitik jene besonders in die Verantwortung nehmen und auch zur Kasse bitten, die am meisten zum Problem beitragen. Wir müssen aufzeigen, dass und wie der Klimaschutz den Menschen in ihrem Alltag konkret nützt (z.B. Solardächer und Stromkosten). Wir müssen Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit verbinden und mit inhaltlichen Projekten konkretisieren.

Bei den Wahlen am 22. Oktober 2023 konnten die GRÜNEN ihr erklärtes Wahlziel, drittstärkste Partei der Schweiz zu werden, nicht erreichen.[3] Das GRÜNE Wahlresultat liegt mit 9.8 Prozent (korrigierter Wert) und fünf Sitzverlusten im Nationalrat (Ständerat: bisher 3 Mandate, definitives Resultat noch offen) klar unter den GRÜNEN Erwartungen (hingegen nahe an den Prognosen). Auch wenn die GRÜNEN damit das zweitstärkste Resultat erreicht haben, haben die GRÜNEN gegenüber dem Resultat von 2019 von 13.1 Prozent 3.4 Prozentpunkte verloren. Auch wenn für verlässlichere Analysen die SELECTS-Studien abgewartet und die Resultate und auch die Kampagne vertieft kollektiv analysiert werden müssen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen sind, müssen die GRÜNEN im Hinblick auf die anstehende Legislatur 2023-2027 eine selbstkritische Bilanzierung machen und dazu die Diskussion führen wie die Grüne Bewegung wieder gestärkt werden kann.

Ökosoziales Standbein – Grüne Arbeitsplätze für die Zukunft

Nicht nur muss die Klimapolitik stärker als soziale Klimapolitik formuliert werden und auch die Beschäftigungswirksamkeit der Klimawende aufgezeigt werden (Green & good Jobs); es braucht auch ein eigenes wahrnehmbares soziales Profil der Grünen (anknüpfend an frühere Initiativen: AHV-Initiative „für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann[4], Grüne Wirtschaft), dies auch ergänzend zur geplanten Solar-Initiative und zu den unterstützen Demokratie-Initiative und Inklusions-Initiative. Noch in Diskussion ist die Elternzeit-Initiative.

Ein klar sozialpolitisches Projekt könnte aktuelle Probleme aufnehmen wie z.B. die Familien- und Kinderarmut[5] und das kantonale Modell der Ergänzungsleistungen für Familien ausbauen. Dies aufbauend auf der im September 2023 abgelehnten parl. Initiative der GRÜNEN «Kinder vor Armut schützen».[6]

Das Thema Jobs für die GRÜNE Wirtschaft und für die Klimatransformation kann im Rahmen des Klimafonds (u.a. auch Gelder für Weiterbildungen, Umschulungen in Zeiten von Fachkräftemangel) thematisiert werden, aber auch mit eigenen Schwerpunkten. Die Menschen, die für die Klimawende arbeiten, sollten alle sich mit der Grünen Politik identifizieren können und als zentrale Akteur*innen der Klimawende angesprochen werden.

Gegen den Rechtsrutsch hilft nur Weitermachen und Bessermachen!

[1] https://sotomo.ch/site/projekte/wahlbarometer-oktober-2023/

[2] Gemäss der Datenbank des renommierten World Inequality Lab der École d’Économie de Paris verschmutzen die reichsten 10% der Bevölkerung die Umwelt stärker als die 50% der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen. Unter den reichsten 1% ist jede Person jährlich für die Freisetzung von durchschnittlich 195 Tonnen CO₂ in die Atmosphäre verantwortlich. Das ist mehr, als 20 Schweizerinnen und Schweizer mit einem niedrigen Einkommen jährlich verursachen. https://wid.world/country/switzerland/

[3] DV 28.1.2023 https://gruene.ch/delegiertenversammlung/praesidialrede-balthasar-glaettli-dv-28-01-23

[4] So erreichte die GRÜNE Volksinitiative „für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann“ am 26. November 2000 in der Abstimmung einen Achtungserfolg mit 46,0% JA-Anteil und wurde in 7 Kantonen (Romandie und Tessin) angenommen.
Dossier: Doppelinitiative der Grünen über die AHV und das Rentenalter (1994-2001) https://anneepolitique.swiss/dossiers/583-dossier-doppelinitiative-der-grunen-uber-die-ahv-und-das-rentenalter-1994-2001

[5] https://www.caritas.ch/de/es-braucht-eine-schweizweite-loesung-gegen-die-kinderarmut/

[6] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220484

[7] Gesine Fuchs: Die Grünen und die Frauen: Feminismus als Teil der politischen DNA der Grünen, in: Bütikofer Sarah / Werner Seitz: Die Grünen in der Schweiz. Entwicklung – Wirken – Perspektiven. Zürich 2023