Grünes Logbuch 05: Frühlingssession 2023
Der Krieg gegen die Ukraine fordert ein Jahr nach Kriegsausbruch uns hier in der Schweiz heraus, sowohl innen- wie aussenpolitisch (Stichwort Neutralität). In der Frühlingsession ging es zudem um grosse Reformvorhaben, einerseits in der Altersvorsorge (Bilanz: problematisch) wie auch im Bereich Klimaschutz und Ausbau erneuerbarer Energien (Bilanz noch offen). Es gibt aber auch einzelne erfreuliche Beschlüsse. Ein Rückblick auf die Frühlingsession.
Ungenügende BVG-Reform: Versprechen nicht eingehalten
Noch im Abstimmungskampf um AHV 21 versprachen die bürgerlichen Parteien, dass nach der Erhöhung des Frauenrentenalters endlich das Problem der zu tiefen Renten, vor allem der Frauen, angepackt werde. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Statt die Renten zu sichern und Frauen in der beruflichen Vorsorge real besser zu stellen, führt die Revision zu Rentenverlusten von bis zu 270 Franken pro Monat. Bereits ist das Referendum zusammen mit den Gewerkschaften angekündigt. Reale Verbesserung im Alter für alle kleinen und mittleren Einkommen bringt die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente «Für ein besseres Leben im Alter», die anfangs 2024 an die Urne kommt.
Verschlechterungen im Mietrecht abwehren
Die Mieten steigen und steigen. Und statt endlich Massnahmen gegen zu beschliessen, will die Parlamentsmehrheit das Mietrecht verschlechtern. Der perfide Plan der Immobilien-Lobby lautet: erst einfacher rauswerfen, dann Mieten erhöhen. Eine Petition des Mieter*innenverbandes wehrt sich gegen diesen Angriff auf das Mietrecht.
Neuer Vorstoss: Flankierende Massnahmen bei Wohnverdichtungsprojekten: Erhalt preisgünstiger und klimafreundlicher Wohnungen.
Klimaschutz I: Ausbau erneuerbarer Energien: gemischte Zwischenbilanz
Für eine raschere Energiewende ist die Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes (sogenannter «Mantelerlass») unerlässlich. Nur so kann der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen. Auch wenn die Verbesserungen bei der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energieversorgung erfreulich sind, ist für die GRÜNEN klar, dass dies nicht auf Kosten der Natur geschehen darf. Die GRÜNEN haben sich in der Schlussabstimmung im Nationalrat enthalten und werden sich im Ständerat dafür einsetzen, dass die Abstriche bei den Restwassermengen korrigiert werden.
Klimaschutz II: Verkehrswende jetzt. Klimaschutz im Verkehr durchsetzen
Zentral zum Erreichen der Klimaschutzziele ist der Verkehr. Der starke Widerstand gegen neue Strassen im Kanton Bern wirft bereits seine Schatten auf das nächste Strassenausbauprojekt, nämliche den Ausbau auf acht Spuren im Norden von Bern im Grauholz: «Grüne und Bauern gegen neue Strassen» (Abo). Der Widerstand bei den direktbetroffenen Gemeinden ist gross. Das milliardenschwere Autobahnausbauprogramm «STEP Strasse 2023» wird ab Mitte März im Bundeshaus in der Kommission behandelt und nötigenfalls mit einem Referendum bekämpft. Um den Klimaschutz auch bei Strassenprojekten zu verstärken, verlange ich mit einer Motion, dass der Klimaschutz bei der Planung von Grossprojekten verbindlicher berücksichtigt wird: «Umweltverträglichkeit um Klimaschutz und Bodenverbrauchsschutz ergänzen».
Klimaschutz III: Keine Finanzstabilität ohne stabiles Klima und drohender Wassermangel
Die volkswirtschaftlichen Kosten einer ungebremsten Klimaerwärmung in der Schweiz betragen bis 2050 bis zu 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts, was im Jahr 2050 rund 38 Milliarden Franken entspricht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Schweizerische Nationalbank SNB. So fordert eine eingereichte Petition: Keine Finanzstabilität ohne stabiles Klima! Da der Bundesrat keinen Handlungsbedarf sieht, fordern die GRÜNEN fordern im Bundeshaus konkrete Veränderungen: Stabile Geldpolitik dank Berücksichtigung von Klimarisiken.
A propos «Our House is on Fire»: Angesichts des drohenden Wassermangels stellt sich die Frage: Gibt es Wassersparpläne bei Wassermangellage? Gemäss Bundesrat sind die Kantone zu Massnahmen beim Trinkwasser verpflichtet, wobei erst die Hälfte der Kantone über regionale Wasserversorgungsplanungen verfügen. Das Thema Wasser beschäftigt die Schweiz – wie auch international weiter!
Schritte für mehr Gleichstellung
Ein Erfolg: Aufgrund des öffentlichen Druckes auch aufgrund des Frauenstreiks von 2019 wird jetzt das Sexualstrafrecht angepasst, indem Gewalt- und Sexualdelikte, deren Opfer oft Frauen und Kinder sind, künftig härter bestraft werden. Ein weiteres langjähriges Anliegen konkretisiert sich. Der Nationalrat will die familienergänzende Kinderbetreuung mit 710 Millionen mitfinanzieren. Für Eltern soll die externe Kinderbetreuung künftig günstiger werden. Hingegen hat es das Parlament abgelehnt, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.
Integration: Erfolg in der Nothilfe
Leider hat es der Nationalrat – trotz guten Argumenten – verpasst, Kindern und Jugendlichen die Einbürgerung ohne Niederlassungsbewilligung ermöglichen.
Ein erfreulicher Entscheid betrifft Personen in der Nothilfe, die zwar einen abgewiesenen Asylentscheid haben, aber aus verschiedenen Gründen (u.a. fehlende Papiere) nicht ausreisen können. So fordert der Nationalrat eine ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren, die heute häufig perspektivenlose ohne Arbeit in Nothilfeunterkünften von der Nothilfe leben müssen.
Internationales und Migration: Fokus auf Frauen notwendig!
Erfreulicherweise hat der Nationalrat den Bundesrat beauftragt die EU-Sanktionen wegen den Menschenrechtsverletzungen im Iran zu übernehmen.
Das UNHCR zielt mit Programmen (Resettlement) auf die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personen ab, die bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden. Dazu gehören Überlebende von Gewalt und Folter, Personen mit medizinischen Bedürfnissen, gefährdete Frauen und Mädchen, Flüchtlinge mit Schutzbedarf sowie gefährdete Minderjährige. Die Schweiz hatte beschlossen 2022 und 2023 1820 Resettlement-Flüchtlinge aufzunehmen, aber Ende 2022 hat die ehemalige Justizministerin Keller-Sutter das Programm gestoppt. Gerade für Frauen mit Kindern braucht es gezielt Fluchtwege, wie ein Bericht aufzeigt. Daher fordere ich ein: Pilotprojekt für komplementäre Fluchtwege für besonders Schutzbedürftige
Interpellation: Papierbeschaffung von Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz und in Afghanistan
Eindrücklicher Austausch zu Tibet
Die Parlamentarische Gruppe Tibet hat aktuelle Fragen zu Tibet und den Tibeter:innen diskutiert, u.a. die Zwangsassimilierung tibetischer Kinder in Internatsschulen. Dies zusammen mit Thinlay Chukki, der Repräsentantin S.H. des Dalai Lama und weiteren Vertretungen der tibetischen Exil-Gemeinschaft in der Schweiz.
Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Mehr Unterstützung nötig!
Ein Jahr seit Kriegsbeginn beschäftigt die Frage, warum die Schweiz nicht mehr für die Unterstützung der Bevölkerung in der Ukraine tut. Im Ländervergleich ist der Beitrag der Schweiz mit 240 Mio. Fr. = 0.0034% des BIP sehr bescheiden. Die GRÜNEN fordern im Ständerat fünf Milliarden für die zivile und humanitäre Hilfe und den Wideraufbau und den Einzug krimineller, russischer Vermögenswerte. Zudem soll der Zugang für Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz sowohl beim Spracherwerb, aber auch beim Arbeitsmarkt verbessert werden. Abgelehnt hat der Nationalrat leider eine Petition: Asyl auch für russische Deserteure und Kriegsgegnerinnen und -gegner!
Meine Rede anlässlich der Ukraine-Kundgebung 4. März 2023 auf dem Berner Bundesplatz.
Der Sessionsrückblick mit Bildern Logbuch 05 (PDF)
Die nächste Session des Nationalrats (Sondersession) findet anfangs Mai statt.
Natalie Imboden, 17. März 2023