Bereits fanden in der Stadt Bern zwei grössere Kundgebungen statt, an denen ich teilnehmen konnte. Am 15. Oktober und am 5. November an der nationalen Kundgebung mit mehreren Tausend Menschen. Hier mein Redebeitrag von der Kundgebung am 15.10.2022 auf dem Bundesplatz Bern zu den Protesten in Iran:

Frau. Leben. Freiheit. (Jin, Jiyan, Azadî)

Liebe Anwesende

Ich bin beeindruckt. Tief beeindruckt. Von diesen unzähligen Bildern, die wir alle seit einem Monat über die sozialen Medien mitverfolgen können. Frauen, die auf den Strassen Irans ihre Rechte einfordern, darunter sehr viele junge Frauen, dabei auch Schülerinnen. Junge Frauen, die bewusst und öffentlich, auf der Strasse für ihre Freiheiten hinstehen. Wie viel Mut, wie viel Kraft hinter jeder dieser einzelnen Person steht, kann ich mir kaum vorstellen, aber es ist beeindruckend. Und wie viele es sind. Wir sehen fast in «realtime» wie Frauen und Männer im Iran für Freiheit und Demokratie kämpfen und dabei auch ihr Leben riskieren. Die Proteste haben weite Gesellschaftsschichten erfasst. Nicht nur Junge, sondern auch die Arbeiterinnen und Arbeiter in Öl-Raffinerien protestieren. Dies trotz der Repression: Viele Protestierende, selbst Schulkinder und Jugendliche werden von den Schergen des iranischen Regimes brutal geschlagen, verhaftet und ermordet.

Wir alle kennen den Auslöser. Mahsa Jina Amini. Sicherheitskräfte prügelten die junge kurdisch-iranische Frau Mahsa Jina Amini zu Tode, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben soll. Seither gibt es täglich Kundgebungen im ganzen Land – oft angeführt von Frauen mit dem kurdischen Slogan «Jin, Jiyan, Azadî!» (Frau, Leben, Freiheit).

Für uns hier in der Schweiz ist das Recht auf freie Meinungsäusserung wie eine Selbstverständlichkeit. Wie aktuell im Iran, ist aber auch in verschiedenen anderen Ländern das Einstehen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie gar nicht selbstverständlich und muss erkämpft werden. Wie es ein persisches Sprichwort sagt: «Rechte werde nicht gewährt, man muss sie erkämpfen» («Hagh gereftani ast- na dadani»).

Diese mutigen Menschen im Iran, diese Jungen, diese Frauen, aber auch ihre Eltern und Grosseltern brauchen jetzt unsere Solidarität und auch politische Unterstützung. Die Schweiz muss mehr tun, als sie bislang getan hat. Unsere Regierung, der Bundesrat muss handeln! 

Länder in der ganzen Welt haben bereits neue Massnahmen gegen die islamische Regierung im Iran ergriffen. Die Europäische Union hat sich diese Woche auf Sanktionen gegen Iran geeinigt und wird diese voraussichtlich am Montag kommunizieren.

Wir erwarten jetzt rasches Handeln und eine deutlichere öffentliche Botschaft des Bundesrates zur Unterstützung der iranischen Demokratie-Bewegung. Erst nach öffentlichem Druck und einem Vorstoss von Politikerinnen verschiedener Parteien, darunter auch Sibel Arslan, Nationalrätin GRÜNE[1] hat der Bundesrat am 5. Oktober erstmals öffentlich Stellung genommen.

Inzwischen haben bald 10’000 Personen den von 100 Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft lancierten Appell für Solidarität mit den Menschen im Iran unterzeichnet. Zusammen mit tausenden von Menschen, fordern wir zusammen mit ihnen die offizielle Schweiz deshalb auf:

  • Ergreifen von Sanktionen, analog jener, welche die EU voraussichtlich am Montag beschliessen wird und die USA gegenüber dem Iran ergreifen und welche gezielt die Machteliten treffen!
  • Sanktionen und Einreiseverbote für Mitglieder des islamischen Regimes, der Revolutionsgarde und der Basij wie dies z.B. Kanada gemacht hat.
  • Einfrierung sämtlicher Gelder des islamischen Regimes, der Revolutionsgarde und der Basij auf Schweizer Bankkonten
  • Einstufung der Revolutionsgarde und Basij als Terrororganisationen
  • Einbestellung des Botschafters der Islamischen Republik Iran in Bern
  • Schutz vor Ausschaffung für alle iranischen Regimegegner*innen in der Schweiz.

Wir tragen auch hier in der Schweiz Verantwortung: So beispielsweise gegenüber Mona und Amir, die vor 12 Jahren aus dem Iran in die Schweiz kamen und mit ihren zwei Töchtern nach einem abgelehnten Asylgesuch hier in Bern von der Nothilfe leben müssen (BZ, 13.10.22). Ich schäme mich dafür, dass die offizielle Schweiz Mona und Amir so behandelt.

So wie Freiheit und Demokratie universell sind und keine Grenzen kennen. So kennen auch die Proteste keine Grenzen. Ich war sehr berührt, als ich das Lied «Bella Ciao», die Ode der Freiheit der italienischen Widerstandsbewegung gegen den Faschismus in Italien auf persisch von zwei Frauen singen hörte.

Wir sind solidarisch mit den mutigen Menschen im Iran und wir setzen uns politisch hier in der Bundespolitik dafür ein, dass auch die Schweiz den mutigen Kampf für die Freiheit, Demokratie und die Wahrung der Frauenrechte und der Menschenrechte unterstützt.

Gemeinsam für Mahsa Jina Amini. Frau. Leben. Freiheit.

[1] 22.4035 INTERPELLATION Massnahmen der Schweiz gegen die unhaltbaren, immer schlimmer werdenden Menschenrechtsverletzungen durch den Iran