Im Jahr 2023 feiert die schweizerische Bundesverfassung ihren 175. Geburtstag.1848 war die Geburtsstunde der modernen Schweiz, wobei damals nur die halbe Schweiz, nämlich die Männer mitbestimmen konnten und zu Beginn auch Arme oder Nichtchristen von den politischen Rechten ausgeschlossen waren. Mit der Zeit wurden die politischen Rechte ausgeweitet und gelten seit 1971 auch die Frauen. 1991 wurde das Stimmrechtsalter von 20 auf 18 Jahre gesenkt. Die Demokratie in der Schweiz hat sich also im Laufe der Zeit gewandelt und mehr und mehr Menschen eingeschlossen. Hingegen ist heute in der Schweiz rund ein Viertel der Bevölkerung von den politischen Rechten ausgeschlossen, nämlich jene Menschen ohne Schweizer Pass. Obwohl diese Menschen häufig seit Jahrzehnten in der Schweiz arbeiten, wohnen und Steuern bezahlen. Nach wie vor ist es in der Schweiz europaweit sehr schwer, eingebürgert zu werden.

Zu hohe Hürden bei der Einbürgerung

Das heutige Einbürgerungsverfahren ist komplex, je nach den Regeln in den 2200 Gemeinden unterschiedlich und für die Einbürgerungswilligen auch teuer. Teilweise gibt es auch willkürliche Entscheide. Die Hürden bei Einbürgerungen sind damit hoch. So gilt zwar seit 2018 die erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer, die in der dritten Generation in der Schweiz leben. Wie eine Studie zeigt, haben sich von rund 25’000 Berechtigten aus der dritten Generation nur gerade 1800 Menschen einbürgern lassen. Der Grund: Die Hürden selbst für das erleichterte Verfahren sind zu bürokratisch. So müssen beispielsweise die Grosseltern Belege für ihren früheren Aufenthaltsstatus vorlegen, die in der Praxis kaum zu beschaffen sind. Dabei sind Jugendliche der dritten Generation hier in der Schweiz geboren, gehen hier zur Schule, machen Ausbildungen und arbeiten. Sie sind Einheimische – aber ohne Schweizer Pass.

Es braucht ein Demokratie-Update

Es ist für eine Gesellschaft und besonders für unsere direkte Demokratie unbefriedigend, wenn so viele Menschen von der Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Es ist höchste Zeit für ein Demokratie-Update. Wer hier lebt, soll ein Recht auf Einbürgerung haben und zwar mit objektiven Kriterien. Die Voraussetzungen für den Erhalt des Bürgerrechts sollen neu abschliessend formuliert werden und schweizweit gelten. Mit der neulancierten eidgenössischen Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» soll die Bundesverfassung geändert werden. Ausländerinnen und Ausländern sollen neu einen Anspruch auf Erteilung des Bürgerrechts auf Gesuch erhalten, wenn sie sich länger als fünf Jahre rechtmässig in der Schweiz aufhalten, sie sich im Alltag in einer Landessprache verständigen können, keine Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe vorliegt und sie die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden. Diese Kriterien sind objektiv und messbar.

Politische Partizipation zählt zu den Grundpfeilern der Demokratie, insbesondere in der Schweiz mit unserer direkten Demokratie: Wer dauerhaft in der Schweiz liebt, soll mitbestimmen können, sei es über die Altersvorsorge, den Klimaschutz oder den Bau eines neuen Schulhauses. Die Demokratie-Initiative ist ein wichtiger Schritt für mehr Demokratie in der Schweiz.

Natalie Imboden, Nationalrätin GRÜNE Bern, Mitglied der Staatspolitischen Kommission SPK

Weitere Informationen: https://demokratie-volksinitiative.ch/

 

Tipp: Noch bis zum 25.06.2023 ist in der Stadt Biel (Neues Museum Biel) die Ausstellung «Wir, die Saisonniers …» zu sehen, welche die Geschichte der Ausländer*innenpolitik und der Arbeitsmigration von 1931-2022 eindrücklich aufzeigt.

https://www.nmbiel.ch/index.php?lang=de&id=4&eid=91

Initiativtext:

Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)»

Art. 38 Bundesverfassung (neu)

2 Er [der Bund] erlässt Vorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern. Anspruch auf Erteilung des Bürgerrechts auf Gesuch hin haben Ausländerinnen und Ausländer, die:

a. sich seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz aufhalten;
b. nicht zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind;
c. die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden; und
d. Grundkenntnisse einer Landessprache haben.